Dysfunktionale Familie Weihnachten

Dysfunktionale Familien:

Eine Reflexion über Beziehungen, Erwartungen und persönliches Wachstum

Mitten im weihnachtlichen Familientrubel stellte ich mir die Frage: Wer will ich eigentlich sein? Wie in jeder großen Familie gibt es auch in meiner Themen, die an den Feiertagen sorgsam umschifft werden. Unausgesprochene Worte, überhörte Sätze, übersehene Gesten und ignoriertes passiv-aggressives Verhalten prägen diese Zusammenkünfte. In einer Welt voller Krisen, Konflikte und spaltender Ideologien fließen gesellschaftliche Spannungen direkt in unsere Familienbeziehungen ein. Missverständnisse, Engstirnigkeit und Vorurteile bestimmen oft unseren Alltag.

Die Last der Erwartungen

Nicht für jeden von uns, war Weihnachten ein Fest der Liebe und ich glaube, dass ist es für die allerwenigsten Familien, es sei denn, es findet in einem sehr kleinen engen Rahmen statt. Die Frage ist doch: muss es das sein? Muss Familie die Erwartungen Ihrer Mitglieder erfüllen? Die Mutter immer gut sein, der Vater klug, der Bruder loyal, die Tante großzügig, die Kinder brav … usw. Für jedes Mitglied gibt es Zuschreibungen und Erwartungen. Ich glaube, keine Familie auf diesem Planeten kann all diese Erwartungen erfüllen – und das sollte auch gar nicht das Ziel sein. Stattdessen sollten wir eine gesunde Streitkultur entwickeln. Eine Kultur, in der Familien Konflikte aushalten können, wo man offen diskutieren kann, ohne gleich den Kontakt abzubrechen. Wo man streiten und sich trotzdem liebhaben kann.

Plädoyer für eine gesunde Streitkultur

Leider fehlt in unserer Gesellschaft weitgehend diese Streitkultur. Dabei gehören zu gesunden Beziehungen auch Konflikte. In einer gesunden Beziehung dürfen unangenehme Themen angesprochen und Gefühle benannt werden. Manchmal bedeutet das auch, sich von toxischen Familienmitgliedern zu distanzieren – auch wenn dies gesellschaftlich oft verpönt ist.

Die „heilige“ Familie – ein Beispiel der Dysfunktionalität

Gerade zu Weihnachten treffen sich kaputte Familien in scheinbarer Harmonie, um das Fest der Liebe zu feiern und die heilige Familie zu ehren. Die, wenn man etwas genauer hinschaut, gar nicht so heilig war, sondern äußerst dysfunktional. Aus heutiger Sicht würde man über diese Familie sagen: da ist ein Sohn, der sich mit 12 Jahren gegenüber seinen Eltern so überlegen fühlt, dass er
einfach abhaut. Er ist mitten in der Pubertät und die Eltern überfordert.

Als Heiland herrschte Jesus auf einer Hochzeit seine Mutter an: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau?“ Ein anderes Mal sitzt er in einer großen Menschenmenge, wo ihm zugerufen wird, dass seine Familie draußen steht, worauf er antwortet: „Wer ist meine Mutter?“ Selbst für Jesus war seine Familie nicht die Ursprungsfamilie, sondern die Jüngerschaft, mit der er sich umgab. Im Markusevangelium steht: Ein Prophet ist nirgendwo missachtet, außer in seiner Vaterstadt und bei seinen Verwandten und in seinem eigenen Haus (= Familie)“ (Mk 6,3). Damit wird deutlich, dass seine Eltern nicht zu denen gehörten, die an ihn glaubte und es steht außerdem im Text: „Er konnte dort keine einzige  Krafttat/Heilung tun.“

Wenn Grenzen notwendig werden

Jesus selbst musste sich von seiner Familie distanzieren, um seinen eigenen Weg zu gehen – eine Erfahrung, die viele Menschen nachvollziehen können. Statt nach Perfektion zu streben, plädiere ich dafür, die Dysfunktionalität als normal anzuerkennen. Lasst uns die überhöhten Erwartungen an Eltern, Kinder und uns selbst über Bord werfen. Wir sollten uns stattdessen fragen: Wer wollen wir in diesem Familiengefüge sein?

Meine persönliche Antwort

Meine Antwort darauf ist klar: Ich möchte andere fördern statt über sie zu urteilen. Ich möchte Gefühle benennen und Konflikte nicht scheuen. Menschen sollen sich nach einer Begegnung mit mir stärker, größer und leichter fühlen – nicht kleiner und schwerer. Ob mir das immer gelingt? Vielleicht nicht. Aber dann wende ich diese Grundsätze eben auf mich selbst an und übe Selbstvergebung.